Hunde und Kinder – ein echtes Dreamteam

Interview mit Kinder- und Jugendtherapeutin Ricarda über ihren Therapiehund Benny

Hunde sind Balsam für unsere Seele, sie sind unser Sportkamerad, stiller Zuhörer, Kuschelkumpel und sorgen stets für gute Laune. Aber geht es nur uns Erwachsenen so? Wie ist es für unsere Kinder? Bereichert ein Hund sie oder läuft der im Familienalltag einfach so nebenher?

Wie kann der Alltag mit Hund und Familie harmonisch ablaufen, damit er für Kinder und Hunde gleichermaßen schön (und sicher!) werden kann? In einem Artikel über Familienhunde hier auf unserem Blog, hebe ich deutlich hervor, dass es nicht „den“ einen Hund gibt, der auf jeden Fall familienfreundlich ist, sondern dass es vollkommen von den Erfahrungen des Hundes mit großen und kleinen Menschen abhängt.

Welche Vorteile hat ein Hund bzw. ein Haustier für Kinder?

Die meisten Kinder haben ein natürliches Interesse an Tieren. Hier können Kinder ein „Anders-sein“ erleben und durch eine fehlende Kommunikation auf verbaler Ebene wird die Entwicklung nonverbaler, intuitiver und empathischer Kommunikation stark gefördert. Das heißt, die Kinder lernen sich in ein anderes Lebewesen hinein zu versetzen und hinein zu fühlen. Sie können sich nicht unterhalten, sondern müssen auf die Körpersprache achten. Sie fühlen also mehr, als dass sie reden und das ist eine Förderung von Sinnen, die wunderschön ist. Das gilt übrigens nicht nur für den Hund als Haustier, sondern für alle Haus-, bzw. Heimtiere!


Wenn eine Beziehung zu einem Tier intensiv wird, kann sie vermenschlicht werden. Das machen wir Erwachsenen, aber auch unsere Kinder. Sie erzählen ihnen ihre Sorgen, spielen mit ihnen Rollenspiele, kümmern sich und sie suchen Trost bei ihnen. Manche betrachten ihre Haustiere wie Geschwister und die Tiere erhalten einen Stellenwert wie ein vollwertiges Familienmitglied.

Wie kann ein Hund Kindern im Alltag helfen?

Bei Stress im Schulalltag, wenn es Streit und Sorgen gibt, ist für viele Kinder der Familienhund Trostspender, Kraftgeber bei Erschöpfung, Aufpasser bei Angst und Unsicherheit. 

Aber ist das „wirklich“ so? Oder sind das nur meine verklärten Erinnerungen aus meiner Kindheit und meine subjektiven Eindrücke als Mutter und Hundebesitzerin? Ich habe dazu das Gespräch gesucht mit der Kinder – und Jugendlichenpsychotherapeutin Ricarda Theis. Das Besondere an Ricarda ist, sie ist nicht nur vom Fach, sondern bringt ihren kleinen Hund Benny sogar mit in ihre Praxis.


Liebe Ricarda, vielen Dank, dass ich heute die Möglichkeit habe, Dir ein paar Fragen zu stellen. Ist es nur mein Eindruck oder ist es wirklich wissenschaftlich belegt, dass Hunde unseren Kindern Trost und Nähe spenden auf einer ganz besonderen Ebene? 

Tatsächlich gibt es inzwischen etliche Forschungsergebnisse, die positive Effekte sowohl auf die körperliche als auch auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen belegen. Gerade die physiologischen Effekte, wie z.B. Senkung des Blutdrucks, Muskelentspannung, Stressreduktion (Cortisolspiegel) lassen sich gut messen, aber auch die psychischen Effekte (Reduktion von Angst, Förderung eines positiven Selbstbildes, Steigerung emotionalen Wohlbefindens, Förderung von Selbstsicherheit bis hin zu einer antidepressiven Wirkung) sind inzwischen gut untersucht und belegt. Im Kontakt mit dem Tier entsteht ein Gefühl des Angenommenseins, ein Hund bewertet nicht, er reagiert völlig unvoreingenommen und fördert so das Selbstwertgefühl.

Wie sieht so eine Therapiesitzung aus, wenn dein Hund dabei ist? Wie kann er den Kindern helfen?

Für die meisten Kinder wirkt schon die bloße Anwesenheit meines Hundes entspannend und motivierend. Besonders im Erstkontakt, in dem viele Kinder zunächst unsicher sind, erleichtert Benny die Kontaktaufnahme. Häufig wenden sich die Kinder zunächst dem Hund zu, dadurch ist der Fokus weniger auf das Kind und die Probleme, derentwegen es vorgestellt wird, gerichtet; das dyadische Setting der Therapie wird durch einen Dritten im Raum erweitert, der weder bewertet noch bestimmte Erwartungen an das Kind hat.

Je nach Situation hole ich Benny zum Kuscheln oder zum Spielen dazu. Da er gerne apportiert und auch einige Tricks kann, haben die Kinder dabei meist viel Spaß. Hier geht es zum einen um die Erfahrung der Selbstwirksamkeit (der Hund macht, was das Kind möchte), aber auch um die Bedeutsamkeit klarer Kommunikation (es klappt nur, wenn Benny versteht, was das Kind von ihm möchte). Meine Aufgabe ist dabei, Bennys Verhalten für das Kind zu „übersetzen“ und verständlich zu machen. Wichtig ist natürlich auch, Bennys Bedürfnisse mit im Blick zu behalten, auf mögliche Stressanzeichen zu achten und ihm Pausen zu ermöglichen.

Wie reagiert Benny, wenn die Kinder beispielsweise Angst vor ihm haben? 

Benny hat gelernt, auf seinem Platz zu bleiben, wenn Patienten den Raum betreten. Er läuft nicht mit zur Tür, sondern bleibt zunächst im Hintergrund. Das ist für ängstliche Kinder beruhigend. Häufig haben aber auch Kinder mit großer Angst durchaus Interesse an Benny, so dass wir den Kontakt langsam aufbauen. Wenn ein Kind bspw. Benny gerne ein Leckerchen geben würde, aber Angst hat, ihn aus der Hand zu füttern, nehmen wir zunächst einen Kochlöffel mit einem langen Stiel zur Hilfe. Wenn das Kind dann beobachtet, dass Benny das Leckerchen langsam und vorsichtig vom Löffel nimmt, traut es sich häufig schon bald, den Stiel kürzer zu fassen und irgendwann den Löffel auf die eigene Handfläche zu legen. Dann ist der Schritt zum Füttern aus der Hand meist nicht mehr weit. Für die Kinder ist das eine tolle Erfahrung, die sie oft sehr stolz macht.

Hast Du bestimmte Momente mit Benny und Kindern während einer Sitzung erlebt, die Dir die Bereicherung von Benny gezeigt haben? Magst Du mir davon erzählen? 

Vielen Kindern fällt es leichter, über schwierige Themen zu sprechen, wenn sie gleichzeitig mit Benny kuscheln oder spielen können. Aber auch für viele Jugendliche ist Benny wichtig. Da meine Patienten in der Regel einmal pro Woche zu mir kommen, kennt Benny sie, erinnert sich und freut sich über sie. Häufig legt er sich einfach an ihre Füße und genießt es, zwischendurch gestreichelt zu werden. Vom Hund gemocht zu werden, tut den meisten Kindern und Jugendlichen gut. Oft merkt Benny auch, ob jemand gerade Trost oder Aufmunterung braucht und kommt genau in diesen Momenten dazu. Bei Kindern und Jugendlichen, denen es schwerfällt, mit mir als zunächst fremder Person zu sprechen, beobachte ich auch, wie Benny versucht, die Kinder oder Jugendlichen zu aktivieren und durch Spielaufforderungen aus der Reserve zu locken.

Gibt es Familien, die dich gezielt wegen des Hundes als Therapeutin wählen?

Ja, das kommt immer wieder vor. Gerade Eltern von Kindern oder Jugendlichen, die befürchten, dass es ihren Kindern schwerfallen wird, sich überhaupt auf eine Therapie einzulassen, kommen bewusst zu mir, weil sie die Hoffnung haben, ihr Kind durch die Anwesenheit des Hundes motivieren zu können.

Gibt es eine Jobbezeichnung für Benny und kann das jeder Hund werden? Hast Du irgendwelche Auflagen oder hast Du Kurse mit Benny besucht?

Im Prinzip kann jeder Hund Therapiehund werden. Grundvoraussetzung ist, dass der Hund nicht nur freundlich ist, sondern auch über einen guten Grundgehorsam verfügt, gepflegt und gesund ist. Damit der Hund durch seine „Arbeit“ nicht gestresst wird, ist es außerdem wichtig, dass er Kontakte mit Menschen grundsätzlich genießt, gerne mit Menschen zusammenarbeitet, wenig Misstrauen gegenüber Fremden und wenig Territorialverhalten besitzt. Empathiefähigkeit einerseits und Stressresistenz andererseits erleichtern es ihm, ein guter „Co-Therapeut“ andererseits zu werden. Manches davon kann man mit dem Hund trainieren, Einiges bringt er aber auch durch seine Anlagen mit.

Da ich tiefenpsychologisch arbeite, habe ich mich mit Benny für eine tiefenpsychologisch fundierte Hundetherapieausbildung entschieden. Hier geht es im Wesentlichen darum, dass ich lerne, wie ich Benny in die Therapiestunden einbinde und ihn als Dritten im Raum therapeutisch nutzen kann. Damit der Hund empathisch und authentisch reagieren kann, ist es wichtig, dass er nicht nur gelernt hat, auf seinem Platz zu liegen oder Kommandos korrekt auszuführen, sondern sich auch frei im Raum bewegen darf und durch sein Verhalten und seine eigene Kommunikation zeigen kann, was er im Kontakt mit einem Patienten spürt.

Wie stehst du zu dem Thema Familienhund? Was sind die besonderen Vorteile von Haustieren für Kinder im Familienalltag?

Ich denke, ich habe eine ähnliche Einstellung zum Thema Familienhund wie Du. Auch ich bin mit Hund aufgewachsen und wollte diese schöne Erfahrung auch meinen Kindern ermöglichen.

Ich sehe einen Hund in der Regel als große Bereicherung für die ganze Familie. Von den Kindern wird er meist als loyaler Freund und Spielkamerad angesehen, der trösten kann, dem sie Geheimnisse anvertrauen können, der immer ansprechbar ist und in der Regel gute Laune verbreitet. Kinder lernen aber auch Rücksichtnahme und Verantwortung, denn der Hund ist ein Lebewesen, das versorgt werden muss und dessen Bedürfnisse bei Planungen ebenso berücksichtigt werden müssen, wie die der Menschen. Vieles davon gilt nicht nur für Hunde, sondern auch für andere Haustiere; Tiere schaffen eine Verbundenheit mit der Natur und führen uns so ein Stück weit zurück zu unseren evolutionären Wurzeln.

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