Historischer und biologischer Hintergrund
Vor ungefähr 15.000 Jahren hat der Mensch begonnen, Wölfe zu domestizieren. Wölfe suchten die Nähe des Menschen, wahrscheinlich aufgrund von Nahrungsresten und eine Freundschaft und Partnerschaft entwickelte sich, von der beide – Tier und Mensch – profitierten.
Hunde gelten als Unterart des Wolfes, ihr lateinischer Name lautet Canis lupus familiaris, der des Wolfes ist Canis lupus. Eine enge genetische Verwandtschaft liegt vor, denn ca. 99,7 – 99,9% der Gene sind ähnlich. Aber diese letzten paar Prozente machen einen deutlichen Unterschied, der aus der engen Gemeinschaft mit den Menschen resultiert.
Mythen über Wölfe und Hunde
Trotzdem höre ich auf der Hundewiese, in der Tierarztpraxis und in der Futtermittelbranche noch immer viele Aussagen, die für den Hund gut wären, weil er ja ein Wolf sei.
Heute möchte ich die hartnäckigsten Mythen einmal besprechen:
Wölfe fressen ihr Beutetier auch roh, daher ist BARFEN die beste Ernährungsform für Hunde
Es gibt keine ernährungsphysiologischen Vorteile, dass ein Hund sein Futter roh bekommen sollte. Der Wolf hat natürlich keine andere Wahl – wir können aber für unsere Hunde eine Entscheidung treffen. Wer seinen Hund mit Rohfutter ernähren möchte, sollte beachten, dass der Verzehr bzw. die Verarbeitung von rohem Fleisch Risiken bergen kann und möglicherweise Krankheitserreger enthalten sein können, die gelegentlich auch für Menschen gefährlich werden können.
Wölfe bekommen auch nicht dreimal am Tag ihr Futter, daher sollte der Hund auch mindestens einmal in der Woche einen gesamten Tag fasten
Ja, Wölfe müssen sich ihre Beute erjagen. Mal bekommen sie einige Tage nichts zu fressen, dann eine riesige Portion. Im Schnitt frisst ein Wolf zwei bis dreimal in der Woche. Er geht erst wieder auf die Jagd, wenn sein Körper entschlackt ist.
Der Magen von einem Wolf ist viel elastischer als der eines Hundes, somit ist das Aufnehmen von großen Mengen möglich. Danach kann sich so ein Wolf kaum noch rühren und muss ruhen, um zu verdauen. Dies ist kein Umstand, der erstrebenswert für unsere Hunde ist. Bei längeren Fastenperioden gibt es zum einen das unangenehme Gefühl von Hunger, Stoffwechselentgleisungen, aber auch Fehlgärungen der Darmflora.
Getreide ist ein minderwertiges Füllprodukt im Futter, Wölfe sind Fleischfresser, der Hund also auch
Das ist so nicht korrekt. Wölfe und Hunde sind Allesfresser. Anders als Wölfe können Hunde jedoch die im Getreide enthaltene Stärke verdauen. Sie ist ein wichtiger Energieträger, genau wie bei uns Menschen. Hunde sind Schlingfresser, sie kauen also nicht langsam und zermahlen das Futter. Daher ist das Getreide im Futter auch nicht als ganzes Korn enthalten. Denn so würden sie die Körner einfach wieder ausscheiden – das Getreide wird also thermisch vorbehandelt, so dass es leicht verdaulich und bekömmlich ist.
Beobachtungen haben ergeben, dass Wölfe den Darminhalt ihrer Beutetiere liegenlassen und nicht fressen. Denn er enthält hauptsächlich Ballaststoffe, die dem Wolf keine Energie liefern und für ihn schwer verdaulich sind. Wölfe können die im Getreide enthaltene Stärke nicht verdauen. Daran kann die Evolution von Wolf zu Hund ganz klar erkannt werden – der Hund hat ungefähr 30 Gene, die für die Verdauung von Stärke notwendig sind, der Wolf besitzt zwei.
Hinzu kommt, dass Hunde über den Darm Glukose aufnehmen können und so mehr Energie aus Stärke gewinnen können.
Knochen als Beschäftigung zu verfüttern, befriedigt den Kaureiz und liefert Kalzium, Wölfe kauen auch gerne auf den Knochen ihrer Beutetiere herum
Wölfe fressen das Muskelfleisch, die Sehnen, Magen- und Darmwand ihrer Beutetiere. Sie nagen auch an den Knochen, scheiden allerdings auch viele unverwertete Bestandteile der Knochen mit dem Kot wieder aus. Aber Knochen können den Zahnschmelz der Zähne angreifen – bei Hunden und Wölfen. Sie haben ein gleiches Gebiss und einen gleichen Kieferaufbau, beide können Knochen zernagen, aber es kann für beide gefährlich werden. Der Wolf hat keine Wahl, wir können unseren Hunden sicherere Alternativen bieten.
Es sollte außerdem erwähnt werden, dass Wölfe einen viel höheren Energiebedarf haben als unsere Hunde, da sie für das Erlegen der Beutetiere weite Strecken zurücklegen müssen. Unsere Hunde würden bei ähnlicher Zusammensetzung der Rationen Übergewicht entwickeln.
Was stimmt und was ist gleich bei unseren Hunden und den Wölfen?
Wölfe und unsere Hunde sind Rudeltiere, besitzen hohe soziale Komponenten und einen ausgeprägten Geruchs- und Hörsinn. Das Drohverhalten, das Kampfverhalten und Beschwichtigungsgesten sind sehr ähnlich. Oft gilt der Hund als der „freundlichere Wolf“, aber dieses Verhalten gilt in erster Linie nur, wenn es um das Verhalten gegenüber den Menschen geht. Beobachtungen in Hunderudeln und Wolfsrudeln haben interessanterweise ergeben, dass Wölfe untereinander viel freundlicher miteinander umgehen, als Hunde.
Die Körpersprache von Hunden und Wölfen ist sehr ähnlich, wobei der Mensch vielen Hunden durch Zuchtziele eine unnatürliche Körperform angezüchtet hat, so dass die Kommunikation unterschiedlich ist. Dies kann übrigens auch unter Hunden zu Problemen führen, da eine artgerechte Kommunikation durch veränderte Schwanz- und Kopfformen eingeschränkt ist.
Beachtenswert ist die Kommunikation mit uns Menschen. Hunde können uns viel besser „lesen“ als Wölfe und sie können sich uns viel besser mitteilen. Hunde haben eine viel stärker ausgeprägte Mimik als Wölfe, was evolutionsbiologisch durch das enge Zusammenleben mit den Menschen entstanden ist. Denn Hunde haben Muskeln an den Augenbrauen, die Wölfe nicht haben. Wobei es da zu ergänzen gilt, dass der Sibirische Husky diese Muskeln auch nicht hat – er ist dem Wolf noch etwas ähnlicher. Hunde nutzen diesen Muskel viel mehr, wenn ein Mensch in der Nähe ist, denn er erleichtert ihm die Kommunikation mit Menschen.
Was mich immer wieder verwundert, ist, dass die Lebensweise eines Wolfes als der Goldstandard gilt – realistisch betrachtet wird im Durchschnitt ein wildlebender Wolf zwischen 6 – 8 Jahre alt. Ist das für unsere Hunde erstrebenswert? Parasiten, virale Erkrankungen, Zahnprobleme, Verdauungsprobleme sind alles Erkrankungen, die Hunde und Wölfe bekommen können. Bei unseren Hunden haben wir aber die Möglichkeit, präventiv zu handeln und Krankheiten vorzubeugen sowie diese zu heilen.
Der Lebenszweck ist ein vollkommen unterschiedlicher – Wölfe leben, um sich fortzupflanzen. Hunde sollen möglichst alt werden und in enger Gemeinschaft mit uns Menschen leben, sich möglichst wenig fortpflanzen. Diese unterschiedlichen Lebensziele haben eine andere Haltung und Fütterung als Konsequenz. Hunde stammen zwar vom Wolf ab, sind aber eben keine Wölfe (mehr). Ihre gemeinsamen Vorfahren helfen uns aber, Hunde und Wölfe besser zu verstehen und vor allem auch, den Wolf nicht zu fürchten und nicht zu jagen.